Staatswald
Staatswald Althau – Geschichte
(alte deutsche Sprache)
Die Wälder der OBG Lengnau liegen durchwegs im sogenannten „Studenland“. Eine nähere
Umschreibung des Begriffes, sowie eine Beschreibung der forstlichen Verhältnissen im
Lengnauer Wald findet sich im nachfolgenden Auszug von Oberförster C. Wanger in den
„Mitteilungen der aarg. Naturforschenden Gesellschaft“ , Heft Nr. 7:
„Die Blütezeit der Staudenwirtschaft und mir ihr der grösste Tiefstand einer schonlichen
Waldbehandlung fiel in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Zu Anfang desselben
waren einige Gemeinden genötigt, den Holzuwachs auf einem Teil des Gemeindewaldes
parzellenweise zu verkaufen, um aus dem Erlös die sogenannte französische Kriegsschuld
abzahlen zu können. Das Eigentumsrecht am Grund und Boden der „Teilhölzli“, wie die
Parzellen genannt wurden, behielten sich die Gemeinden aber vor. Die Gemeinden
bestimmten auch, dass das auf den „Teilhölzli“ wachsende Holz nicht geschlagen werden
durfte, bevor es ein Alter von 8 Jahren erreicht hatte. Heute sind alle diese Teilhölzli wieder
im Besitz der Gemeinden. Sie wurden nach und nach zurückgekauft.“
Nach der damaligen Waldbehandlungen hätte noch diese und jene Gemeinde in der alten
Grafschaft Baden und selbst im östlichen Grenzgebiete des alten bernischen Aargaus zum
Studenland gezählt werden dürfen. Die Bezeichnung blieb aber auf den östlichen Teil des
Bezirks Zurzach beschränkt, mit welchem Recht zeigen uns die Umstände, unter denen der
Aargau zu seinem Staatswald „Althau“mitten im Studenland gekommen ist.
Der Staatswald „Althau“ ist 48.56 ha gross und liegt auf dem Bergrücken zwischen der Surb
und dem Eetelbach, der bei Rekingen in den Rhein fliesst. Er gehörte seinerzeit der
Ortsbürgergemeinde Lengnau, und grenzt jetzt auf einer Länge von 1000 Meter an den
Eetelwald. Westlich von ihm befindet sich die weithin sichtbare Waldlücke oberhalb
Vogelsang.
Im Jahre 1853 wurde der Wald vom Staate gekauft. Der Kauf erfolgte auf Gesuch der
Gemeinde Lengnau, die damals stark verschuldet war. Zu jener Zeit zählte Lengnau 200
steuerpflichtige Bürger, von welchen 98 verarmt waren und keine Steuern entrichten
konnten. Weitere 48 lebten in ärmlichen Verhältnissen und vermochten nur wenig Steuern zu
zahlen. Die ganze Steuerlast ruhte sozusagen auf nur 54 Bürgern. Die Schulden der
Gemeinde beliefen sich auf Fr. 99‘445.83. Die Verzinsung der Schulden, die Bestreitung der
Armenbedürfnisse sowie die Ausgaben für die Schule und das Polizeiwesen erforderten
zusammen jährlich Fr. 7‘682.79. Ohne die Steuern hatte die Gemeinde folgende Beträge in
Rechnung zu stellen:
An Ohmgeld Fr. 250 und an Einsassengeld, einschliesslich Fr. 142.86 von der israelitischen
Gemeinde Fr. 192.86 im Ganzen war das somit Fr. 442.86. Durch die Steuern waren daher
jährlich Fr. 7240.93 aufzubringen. Daneben mussten die auf dem Privateigentum lastenden
Schulden verzinst werden, die in ihrer Gesamtheit die Gemeindeschuld wohl um das
Dreifache überstiegen.
Aus dem ca. 887 Jucharten grossen Gemeindewald konnte sozusagen nichts für die
Gemeindebedürfnisse bezogen werden. Seine Erträgnisse, soweit sie nicht zur Bestreitung
des Bürgernutzens verwendet werden mussten, reichten kaum für die nötigsten Kulturen und
zur Deckung der Verwaltungskosten. Der Grossteil des heranwachsenden Holzes wurde
gefrevelt. Durch den Frevel – berichtete der damalige Bezirksforstinspektor Meisel – wurde
dem Wald mehr entzogen als die ordentlichen Bürgerholzgraben wert waren. Aber auch dem
Gemeinde- und dem Privathaushalt wurde durch den Frevel und seine sittenverderbenden
Folgen untergraben. Eine grosse Zahl „Professionsfrevler“ hielten sich und ihre Familien
jahraus, jahrein nur durch den Frevel über Wasser. An Sonn- und Feiertagen wurden an
Stelle des Gottesdienstes die Waldungen auf Beute ausgekundschaftet und die Beute
schliesslich zur Nachtzeit in Sicherheit gebracht. Ähnliche, etwas abgeschwächte, aber
immerhin noch bedenkliche Zustände herrschten in einigen Nachbargemeinden.
Forstinspektor Gehret, welcher die Gemeindewaldungen Lengnau im Jahre 1849 ebenfalls
besichtigte, schrieb wörtlich: „Der Waldfrevel hat in dieser Gemeinde und namentlich in der
Abteilung „Althau“ eine Höhe erreicht, wie ein Ähnliches noch nirgends vorgekommen ist,
wie ich mir es im Aargau nicht als möglich gedacht hätte. Wenn der Frevel, wie er sich in den
meisten Waldabteilungen Lengnaus zeigt, nur das Bild grosser Unordnung trägt, ist dagegen
in der etwa 150 Jucharten grossen Abteilung „Althau“ die Waldzerstörung durch den Frevel
schon zur vollendeten Tatsache geworden. Namentlich liegt die eine Strecke von ca. 100
Jucharten, über welche das Auge ungehindert wegschweift, auf welcher alles, was die Mühe
des Weghauens nur einigermassen lohnt, gefrevelt wird, sobald es die Stärke eines Zolles,
ja eines halben Zolles im Durchmesser erreicht hat.“
Unter solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn am 18. November 1852, die am
1. Oktober desselben Jahres neu angetretene Gemeindebehörde, die zerrütteten
Gemeindeverhältnisse versuchte neu zu ordnen. Und es ist begreiflich, dass sie für die
Beschaffung dringendst nötigen Gelder den Verkauf von 100 bis 150 Jucharten
Gemeindewald ins Auge fasste. Der Gemeinderat konnte mit Recht nicht sagen, dass die der
Gemeinde verbleibenden 737 bis 787 Jucharten Wald bei möglicher werdender
zweckmässiger Bewirtschaftung und bei Eindämmung des Frevels so viel abwerfen werden,
wie die bisherigen schlecht bewirtschafteten und dem Frevel stark ausgesetzten 887
Jucharten.
Die Staatsforstbeamten hielten die Eindämmung des Frevels beim Übergang des „Althau“ in
den Staatsbesitz für möglich und wahrscheinlich. Sie beantragten aber den Verkauf des
Waldes nicht nur aus diesem Grund, sondern auch um jener Gegend ein Beispiel rationeller
Waldpflege geben zu können, in der Hoffnung, dass es auf die Bewirtschaftung der
umliegenden Gemeinde- und Privatwaldungen günstigen Einfluss habe. Der Regierungsrat
sowohl als auch die Mehrheit des Grossen Rates waren dem Ankauf günstig gestimmt und
es gingen 1853 folgende Beträge in den Besitz der Gemeinde:
100 Jucharten à Fr. 270.— Fr. 27‘000.—
35 Jucharten à Fr. 300.— Fr. 10‘500.—
Total Fr. 37'500.—
Der sandige, teils mit Kies vermischte Lehmbden auf der oberer Süsswassermollase ausser
dem bereits geschilderten Frevel durch Weidgang, Grasen und Streuesammeln verwüstet
worden.
Ungefähr 9 Hektaren im südlichen Teil des Althau waren 1848 und 1849 gerodet und bis
1852 landwirtschaftlich genutzt worden. Auf der einen Seite wurde 1852 angepflanzt die
andere lies man verwahrlosen.
Im nördlichsten Abschnitt, wo 1833 das letzte Altholz, die letzten alten Föhren geschlagen
wurden, wartete die Schlagfäche auch noch im Jahre 1853 auf ihre Wiederbestockung.
Der bewaldete Teil zeigte Eichenstockausschläge mit eingesprengten Föhren in sehr
lückenhaftem Verbande. Die Föhren waren 1.2 und in einigen, vom Frevel verschonten
Exemplaren, 2.4 bis 3 m hoch.
Die Eichenstockausschläge waren Kümmerlinge selten höher als 1.2 bis 1.5 m und nirgends
stärker als 7-8 cm.
Bezirksforstinspektor Meisel schätzte den Holzvorrat der bewaldeten Fläche auf
durchschnittlich 150 bis 200 Reiswellen pro Juchart, das sind höchstens 12m3 per ha.
Für ein Föhrenklafter musste man damals Fr. 16.— bis 18.— und für ein Buchenklafter
Fr. 20.— bis 23.— bezahlen.
Für schwere Arbeiten verlangten die Arbeiter einen Tageslohn von:
8-9 Batzen das entspricht heute einem Lohn zwischen Fr. 1.18 und Fr. 1.32 für Erwachsene
5-7 Batzen das entspricht heute einem Lohn zwischen Fr. 0.74 und Fr. 1.03 für Kinder
Nach dem Übergang des Waldes in den Eigentum des Staates wurden die
Forstverbesserungen im „Althau“ energisch betrieben. Nur da, wo die vorhandenen
Eichenstockausschläge und Föhren noch einigermassen wüchsig waren und deshalb
übergehalten wurden, sowie in den bereits 1852 aufgeforsteten 4 ½ Hektaren, wurde von
einer Neuanpflanzung abgesehen. Der übrige Teil des Waldes wurde von 1854 bis 1861
entweder durch Saat oder Pflanzung neu bestockt, nachdem der Boden vorher durch die
Ortsbürgergemeinde Lengnau grösstenteils gerodet worden war.“
5426 Lengnau, 22.11.2006